Wem die Grundfähigkeits-Versicherung hilft, lässt sich nicht so leicht sagen, wie bei der Berufs- und Erwerbsunfähigkeits-Versicherung. Denn es hat sich hier noch kein einheitlicher Leistungskatalog etabliert. Und außerdem hängt die Bewertung der Grundfähigkeits-Versicherung stark davon ab, mit welcher Absicht sie abgeschlossen wurde.
Am häufigsten wird sie im Moment noch als Notlösung genutzt, wenn die Berufsunfähigkeits-Versicherung zu teuer ist oder wegen Vorerkrankung nicht möglich. Das ist durchaus legitim, denn auch eine GF-Versicherung ist besser als keine BU-Versicherung. Logisch.
Allerdings muss ich mir bewusst sein, dass die Grundfähigkeits-Versicherung überhaupt keinen Bezug zu meiner Arbeit hat. Es ist also vollkommen egal, ob ich noch arbeiten kann oder nicht. Im besten Fall kann das bedeuten, dass ich eine Grundfähigkeit verliere, die Versicherung zahlt und ich einfach weiterarbeiten kann, weil ich diese Fähigkeit in meinem Beruf nicht brauche.
Dem Versicherer ist auch egal, ob ich noch arbeite und Geld verdiene. Er darf die Leistung erst einstellen, wenn ich wieder gesund genug bin.
Im schlimmsten Fall kann ich nicht mehr arbeiten, aber ich habe noch keine Grundfähigkeit verloren. Dann verdiene ich kein Geld mehr und die Versicherung zahlt auch nix.
Da die GFV offensichtlich keinen Bezug zu meinem Beruf ist, ist es sinnvoller, sie z.B. als Freizeit-Versicherung zu sehen. Work-Life-Balance ist vor allem jungen Menschen wichtig. Man verwirklicht sich nicht nur im Beruf, sondern auch die Freizeit ist wichtig für ein erfülltes Leben. Wer jetzt beispielsweise im eigenen Garten sein Obst und Gemüse anbaut, ist vielleicht nicht im Berufsleben eingeschränkt, wenn er eine Grundfähigkeit verliert, aber er muss einen Gärtner bezahlen, der die anstrengenderen Aufgaben im Garten erledigt.
Es gibt aber auch Hobbies, bei denen keine Kosten entstehen, wenn ich eine Grundfähigkeit verliere. Wer nicht mehr Fußball spielen kann, muss niemanden bezahlen, der das für ihn macht. Wenn ich mir aber das Kreuzband verletze und die Versicherung mir dann eine Rente zahlt, weil ich mich nicht mehr knien kann, dann kann ich das Geld nutzen, um mir eine bessere Behandlung einzukaufen oder im Job kürzer treten, um öfter Übungen im Fitnessstudio zu machen und so schneller fit zu werden.
Wer die Grundfähigkeits-Versicherung aber unbedingt als Alternative zur BU-Versicherung nutzen will und damit gezielt die Arbeitskraft absichern will, der muss sich die einzelnen Tätigkeiten seines beruflichen Alltags genau ansehen. Und wenn ich mir dann überlege, wie oft ich die versicherten Grundfähigkeiten im Arbeitsalltag benötige, kann ich zumindest eine grobe Schnittmenge zwischen meinem Beruf und der GF-Versicherung erstellen. Dann hat die Versicherung zwar immer noch keinen Bezug zu meinem Beruf, aber ich habe ein besseres Verständnis dafür, wann die GFV leistet.
Wichtig zu wissen ist auch, dass die Grundfähigkeits-Versicherung bei jungen Menschen keine Entscheidung für die Ewigkeit ist. Viele Tarife bieten die Möglichkeit, später ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine Berufsunfähigkeits-Versicherung zu wechseln. Das ist vor allem dann interessant, wenn ich aus Kostengründen während der Ausbildung mich für die Grundfähigkeits-Versicherung entschieden habe, aber später nach der Meisterprüfung mir dann auch eine BU-Versicherung leisten kann.
Die Grundfähigkeits-Versicherung ist also ziemlich vielseitig. Und als Freizeit-Versicherung ist sie auch für Akademiker interessant, denen eine Work-Life-Balance wichtig ist.
Autor: Philip Wenzel
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