Zielgruppe Frauen: Individualität und Empathie in der Beratung sind gefragt
Noch immer verdienen Frauen weniger als Männer und sind in vielen Bereichen ungenügend versichert – nicht nur, was die Altersvorsorge betrifft. Als Vermittler bieten sich dadurch Chancen, die du nutzen solltest.
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, sagt Artikel 3 des Grundgesetzes. Komplett durchgesetzt hat sich dieser Anspruch nicht. In vielen Bereichen sind Frauen heute noch schlechter gestellt als Männer. Auch, was den Versicherungsschutz angeht. Für dich als Vermittler oder Vermittlerin bilden sie damit eine attraktive Zielgruppe.
Das wohl krasseste Beispiel: die Altersvorsorge. Weil Frauen im Schnitt älter werden als Männer, während des Berufslebens aber weniger verdienen, klafft bei vielen eine Rentenlücke, die nur durch eine private Absicherung geschlossen werden kann. Eine Studie der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam bezifferte 2020 den Einkommensunterschied zwischen weiblichen und männlichen Berufstätigen in Deutschland auf 21 Prozent („Gender Pay Gap“). Der daraus resultierende Rentenunterschied liegt mit 53 Prozent noch deutlich höher. Hier liegt viel Potenzial für die private Vorsorge brach!
Nur 12 Prozent sind gegen Berufsunfähigkeit geschützt
Die Gründe für die Schlechterstellung liegen nicht nur im Gender Pay Gap. Hinzu kommt, dass Frauen wegen Erziehungs- und Pflegeaufgaben oft auf eine geringere Lebensarbeitszeit kommen. Außerdem arbeiten rund 50 Prozent in Teilzeit und/oder in schlecht bezahlten Berufen und verfügen über weniger Geld als Männer. Die Folge: Viele Frauen vernachlässigen ihren Versicherungsschutz auch in anderen Bereichen. Beispiele?
Eine Studie des internationalen Meinungsforschungsinstituts aus dem Frühjahr 2021 ergab, dass nur 12 Prozent der Frauen in Deutschland eine Berufsunfähigkeitsversicherung haben. Ältere Untersuchungen brachten ans Licht, dass mehr als die Hälfte keine Haftpflichtversicherung haben. Lediglich ein Drittel verfügt für den Fall von juristischen Auseinandersetzungen über eine Rechtsschutzversicherung.
Das Verrückte daran: Wenn es in einer Familie oder Partnerschaft um Konsum- aber auch um Versicherungsentscheidungen geht, trifft diese in der Regel – die Frau. „In welcher Situation Frau auch immer ist, sie entscheidet über den Konsum“, schrieb zum Beispiel die renommierte Expertin für weibliches Marketing, Dr. Susanne Kleinhenz. Sie stützte sich dabei auf Angaben, nach denen Fragen zur Inneneinrichtung oder zum Urlaub zu mehr als 90 Prozent von Frauen getroffen werden. Aber auch bei der Krankenversicherung lag dieser Wert noch bei 88 Prozent. Was bedeutet das für dich als Makler?
Frauen wollen anders beraten werden als Männer
Du fährst nicht schlecht, wenn du Frauen a) als eigene Zielgruppe häufiger angehst, sie b) aber auch als Ansprechpartnerinnen ins Auge fasst, wenn es um Policen geht, mit denen sich Familien absichern, zum Beispiel Risikolebensversicherungen. Die Möglichkeit dazu ergibt sich mitunter in Beratungsgesprächen mit Paaren, bei denen es eigentlich um eine Versicherung für den Mann geht. Oft entscheidet die Frau über den Abschluss mit, ohne an die eigene Absicherung zu denken – eine gute Gelegenheit, das Interesse in diese Richtung zu lenken.
Als „Zielgruppe der Zukunft“ hat die 2018 verstorbene Dr. Susanne Kleinhenz Frauen in einem ihrer Texte beschrieben. Sie wies darauf hin, dass Frauen häufig aber eine andere Art der Beratung erwarten als Männer. „Frauen sind in ihren Entscheidungen emotionaler als Männer“, so eine Erkenntnis der Wissenschaftlerin. Vermittler sollten deshalb besonders auf Individualität, Empathie und eine Beratung „auf Augenhöhe“ setzen.
Diesen Standpunkt vertritt auch Christian Wiens, Mitgründer des Insurtechs Getsafe. Es gehe nicht darum, neue Produkte für Frauen zu erfinden, sagte er 2020 der „Süddeutschen Zeitung“. „Man muss die bestehenden Policen besser erklären.“ Dies gilt umso mehr, da die Mehrzahl der Frauen sich in Bezug auf Finanz- und Vorsorgeplanung unsicher fühlen. 51 Prozent bezeichneten in der bereits erwähnten YouGov-Umfrage ihre Kenntnisse als sehr schlecht, schlecht oder gerade einmal die Grundfragen abdeckend. Doch Vorsicht: Auf keinen Fall solltest du „oberlehrerhaft“ auftreten – zumal das weibliche Selbstbewusstsein hier zunimmt. In einer Umfrage zu diesem Thema schätzten Anfang 2021 bereits 41 Prozent der Teilnehmerinnen ihr Wissen über Finanzen als gut bis sehr gut ein. Bei Versicherungsthemen waren es mit 38 Prozent fast ebenso viele.