Cross Selling bei Gewerbekunden funktioniert vor allem dann, wenn man in erster Linie gar kein Produkt verkaufen will, erklärt der selbständige Vertriebstrainer Jens Rockel.
Redaktion Maklerimpuls: Jens, aus deiner Erfahrung als Versicherungsfachwirt und Vertriebstrainer: Cross Selling bei Gewerbekunden, funktioniert das?
Jens Rockel: Wenn sich ein Makler oder eine Maklerin weniger auf die Produkte und mehr auf die Bedürfnisse der Kunden konzentriert, dann schon.
Redaktion Maklerimpuls: Das klingt provokant. Was meinst du damit?
Jens Rockel: Gewerbekunden sind für alle Versicherungsgesellschaften attraktiv. Entsprechend kommen ständig neue Produkte auf den Markt, die mittlerweile auch Besonderheiten abdecken, die früher nicht versicherbar waren. Natürlich ist das ein großes Plus für die Kunden. Ich bezweifle nur, dass ein normaler Gewerbetreibender diese Feinheiten tatsächlich durchschaut. Ich glaube eher, für den normalen Firmenkunden ist eine Betriebshaftpflicht eine Betriebshaftpflicht, eine Inhaltsversicherung eine Inhaltsversicherung und eine Betriebsunterbrechung eine Betriebsunterbrechung.
Redaktion Maklerimpuls: …bis eine Pandemie ausbricht und die feinen Unterschiede zwischen Gesellschaften und Produkten deutlich werden.
Jens Rockel: Ganz genau! Und das ist mein Punkt: Statt den Makler- oder Produkthut aufzusetzen, sollte es für Vermittler darum gehen, wirklich für die Kunden da zu sein – ein Notfallmanager quasi, der im Zweifel alles regelt. Und wer wirkliche ALLES regelt, ist automatisch mitten drin im Cross Selling.
Redaktion Maklerimpuls: Was muss ich denn als „Notfallmanager“ alles können?
Jens Rockel: Risiken kann ich entweder vermeiden, delegieren oder selbst tragen. Genau hier würde ich ansetzen, wenn ich einen neuen Gewerbekunden gewinnen will. Beispiel, der Unternehmer fällt aus: Verfügt jemand im Unternehmen über die nötigen Vollmachten, Rechnungen freizuzeichnen und zu überweisen? Wer darf anstelle des Unternehmers wichtige strategische Entscheidungen treffen? Und was soll geschehen, wenn auch diese Person ausfällt? Meistens hat man hier schon die Aufmerksamkeit seines Gegenübers und von dort aus geht es weiter. Wichtig ist, sich von den eigentlichen Produkten erst einmal zu lösen. Allerdings führt der Weg meist sehr schnell in Richtung Absicherung – des Betriebs, aber auch des Unternehmers.
Redaktion Maklerimpuls: Und das funktioniert branchenübergreifend?
Jens Rockel: Ich hatte einen Trainee, der unbedingt alle Unternehmen in seinem Stadtbezirk kennenlernen wollte. Wir haben die oben beschriebene Strategie angewandt. Er hat einen Vortrag zum Thema „Notfallmanagement in Firmen“ vorbereitet, einen Seminarraum mit 25 Plätzen angemietet und musste nach 30 Gesprächen mit lokalen Unternehmen seine „Akquise“ für den Vortrag abbrechen. Er hatte die 25 Anmeldungen bereits in der Tasche. Natürlich haben Unternehmen ab einer gewissen Größe einen Notfallmanager oder eben entsprechende Pläne. Aber gerade in kleineren Betrieben – die Apotheke, das Handwerk, die Gastronomie um die Ecke – hat man weder die Zeit noch das Know-how, sich um diese Themen zu kümmern. Wer sich hier als „Notfallmanager“ positioniert, kann von Sach über Leben bis hin zur betrieblichen Altersvorsorge eigentlich alles verkaufen.
Redaktion Maklerimpuls: Das heißt, ich brauche schon ein fundiertes Wissen für eine solche Positionierung?
Jens Rockel: Absolut – und zwar nicht nur in Hinblick auf die passenden Produkte. Wichtig ist beispielsweise auch, sich ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen, einen Steuerberater oder Rechtsanwalt parat zu haben, falls Beratung notwendig wird, die ich selber nicht leisten kann und darf. Das ist insgesamt arbeitsintensiv, keine Frage. Und vermutlich muss jeder am Ende selbst entscheiden, ob sich ein solcher Einsatz tatsächlich lohnt. In den Beispielen, die ich kenne oder begleitet habe, ist es eine lukrative Strategie. Und letztendlich ist es auch das, was die meisten Kunden von einem Firmenberater erwarten: Er soll Probleme lösen – sie idealerweise sogar erkennen, bevor sie zum Problem werden.
Redaktion Maklerimpuls: Ist das nicht etwas viel verlangt von einem Vermittler?
Jens Rockel: Ich vergleiche den Firmenberater gerne mit einem finanziellen Hausarzt. Er ist meine erste Anlaufstelle, wenn es irgendwo ziept. Manchmal reicht der Besuch dort, weil mein Hausarzt die richtige Idee für eine Therapie hat und es mir schnell wieder besser geht, manchmal bekomme ich eine Überweisung zum Spezialisten. Auf jeden Fall kann ich mich darauf verlassen, dass er das Richtige für mich tut. Habe ich als Makler ein solches Verhältnis zu meinem Kunden aufgebaut, wird er bei allen wichtigen Fragen und Entscheidungen zu mir kommen. Vor möglicher Konkurrenz muss ich mich dann eigentlich nicht mehr fürchten – auch nicht, wenn sie mit Produkten um die Ecke kommt, die vielleicht ein paar Euro günstiger sind.
Jens Rockel ist Versicherungsfachwirt und Certified Financial Planner (EUROPEAN Business School), geprüfter Generationenberater (AEPD) und zertifizierter Testamentsvollstrecker (ebs). In jahrelanger Seminarpraxis hat er einen konzeptbezogenen Ansatz des Verkaufs entwickelt, der es den Seminarteilnehmern gestattet, im Training erworbenes Fachwissen sofort in die Praxis umzusetzen. Seine Verkaufserfahrungen nutzen mittlerweile über 50 Unternehmen vorwiegend aus dem Finanzdienstleistungsbereich.