Bestandsumdeckung: „Aktualität der Verträge regelmäßig prüfen“

Der Kundenbestand ist das höchste Gut eines Maklers. Er muss gepflegt und immer wieder auf den neuesten Stand gebracht werden. Viele Vermittler scheuen aber eine regelmäßige Bestandsumdeckung. „Dies birgt Haftungsrisiken“, sagt Rechtsanwalt Jens Reichow. Hier erklärt er, welche Betreuungspflichten Makler haben.

Redaktion Maklerimpuls: Herr Reichow, zum Jahresgespräch sind Makler laut einem Urteil des OLG Hamburg nicht verpflichtet. Welche Betreuungspflichten haben Makler überhaupt?

Jens Reichow: Das OLG Hamburg hat 2018 tatsächlich geurteilt, dass Versicherungsmakler nicht zur Durchführung eines Jahresgespräches verpflichtet sind. Weiterführende Rechtsprechung zu diesem Thema, ebenso wie für die Betreuungspflichten an sich, gibt es aber kaum. Auch gesetzlich sind in Paragraf 61 des Versicherungsvertragsgesetzes, kurz VVG, für den Versicherungsmakler keine Betreuungspflichten geregelt – anders etwa als für den Versicherer in Paragraf 6 VVG. In der Rechtsprechung finden sich aber durchaus Entscheidungen, die vom Bestehen einer Betreuungspflicht von Maklern ausgehen. 2016 urteilte das OLG Frankfurt am Main beispielsweise, dass eine anlassbezogene Betreuungspflicht von Versicherungsmaklern bestünde und sich ein Anlass danach ergäbe, in wessen Sphäre Änderungen eintreten. Einzelheiten finden Interessierte auch in einem Blogbeitrag unserer Kanzlei.

Redaktion Maklerimpuls: Nur wenige Makler nehmen regelmäßig eine Bestandsumdeckung vor – ein Fehler?

Jens Reichow: Allzu stiefmütterlich sollte man als Versicherungsmakler seine Bestandskunden jedenfalls nicht behandeln. Es gibt nämlich durchaus Stimmen in der Literatur, die zum Beispiel einen aus der Sphäre des Maklers entstehenden Anlass zur Betreuung annehmen, wenn zur Absicherung des Kunden bessere Versicherungskonzepte am Markt auftreten. Versicherungsmakler sollten daher durchaus in regelmäßigen Abständen die Aktualität der in ihrer Bestandsbetreuung bestehenden Versicherungsverträge prüfen. Soweit sie danach Verbesserungspotential für den Versicherungsnehmer erkennen, sollten sie gemeinsam mit dem Kunden auf eine Bestandsumdeckung hinwirken.

Außerdem sollten Versicherungsmakler auch darauf achten, dass sich aus bestimmten Mitteilungen des Versicherungsnehmers wie Umzug, Heirat und Ähnliches nicht nur für eine konkrete Sparte ein Anpassungsbedarf des Kunden ergeben kann, sondern auch spartenübergreifend für andere vom Versicherungsmakler ebenfalls verwaltete Bestandsverträge. Diese müssen dann angepasst werden. Zudem können natürlich durch solche Mitteilungen auch neu entstandene Risiken bekannt werden, für die es eine Absicherung seitens des Versicherungsmaklers zu vermitteln gilt.

Redaktion Maklerimpuls: Welche Gründe könnte es haben, dass viele Makler sich dennoch zu selten um das Thema kümmern? 

Jens Reichow: Das müssen Sie die Makler fragen (lacht). Für einige wird es sicherlich bequem sein, laufende Courtagen für ihren Bestand zu erhalten, ohne eine aktive Bestandsbetreuung durchzuführen. Kalkuliert man hierbei jedoch Haftungsrisiken durch eine mangelnde Bestandsbetreuung mit ein, könnte diese Rechnung für einige Versicherungsmakler nicht mehr aufgehen.

Redaktion Maklerimpuls: Warum sollte ein Makler proaktiv auf einen Bestandskunden zugehen?

Jens Reichow: Zur Haftung des Versicherungsmaklers kommt es vor allem dann, wenn ein eigentlich versicherbares Risiko beim Versicherungsnehmer eintritt, dieser jedoch über keinen ausreichenden Versicherungsschutz verfügt. Der BGH spricht hierbei von der sogenannten Quasideckung. Auch hierzu gibt es einen interessanten Beitrag auf unserer Website. Aus seinem eigenen Haftungsinteresse sollte der Versicherungsmakler daher bestrebt sein, den Versicherungsschutz seiner Kunden möglichst umfassend zu halten.

Redaktion Maklerimpuls: Wie hilfreich sind Ihrer Ansicht nach digitale Tools zur Bestandsumdeckung?

Jens Reichow: Maklerbestände zeichnen sich oftmals ja durch eine gewisse Produktvielfalt aus. Anders als in der Ausschließlichkeit hat bei einem Makler für gewöhnlich also nicht jeder Kunde zum Beispiel seine Hausratversicherung beim selben Versicherer. Den Überblick zu behalten, welcher Kunde noch über ein aktuelles Bedingungswerk verfügt und bei wem eine Vertragsanpassung erforderlich ist, dürfte für viele Versicherungsmakler ohne digitale Unterstützung also nicht ganz einfach werden. Die Umstellung selbst erfordert dann jedoch meist die persönliche Beratung durch den Makler, da er verpflichtet ist, den Kunden auch über gegebenenfalls bestehende Nachteile bei der Bestandsumdeckung hinzuweisen.

Jens Reichow ist Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Weitere Informationen zu diesem Thema findest du auch unter Die Haftung des Versicherungsmaklers.

Von Pfefferminzia, Autor René Weihrauch

Headerbild: © Jens Reichow

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